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Reibungszahl in geschmierten Gleit-/Wälzkontakten    - Seite 3 -

DIE REIBKRAFTÜBERTRAGUNG BEI REALEN OBERFLÄCHEN IM MEHRSTOFF-VERBUNDSYSTEM DES ELASTOHYDRODYNAMISCHEN REIBKONTAKTES

Um die Reibkraftübertragung zwischen den Oberflächen eines geschmierten, hochbelasteten, kontraformen Gleit/Wälzkontaktes verstehen zu können, ist es erforderlich, Art und Geometrie aller an der Kraftübertragung beteiligten Elemente, sowie deren Zusam-menwirken zu betrachten.

Als Basis für das hier zugrundegelegte Modell dient die EHD-Theorie. Diese gilt für mathematisch ideale Oberflächen der Festkörper und für isotrope Flüssigkeiten, deren Isotropie auch beim Scheren unter hohen Drücken erhalten bleibt. Die Methoden der EHD-Theorie und der Kontinuumsmechanik reichen aber für eine physikalisch fundierte Interpretation der Mechanismen bei der Scherkraftübertragung nicht aus. Eine deutliche Erweiterung des EHD-Modelles in Kombination mit einer molekularen Betrachtungsweise ist erforderlich. Demnach wird folgendes Modell zugrundegelegt:

  • Der Schervorgang findet in einem Mehrstoffverbundsystem statt. Dieses besteht aus den beiden Grundwerkstoffen mit realer Oberflächenstruktur. Darauf haften Reaktions- und gegebenenfalls Adhäsionsschichten durch Chemiesorbtion bzw. Physisorbtion im molekularen Dickenbereich. Der Schmierspalt ist mit einem anisotropen Schmier- bzw. Traktionsfluid gefüllt.
  • Die makroskopische Verformung der Grundwerkstoffe ohne Berücksichtigung der Rauheiten und die Schmierfilmdicke sind nach der EHD-Theorie festgelegt.
  • Die Grundwerkstoffe sind Feststoffe mit definierter Scherfestigkeitsgrenze. Den dünnen Schichten, die auf den beiden Oberflächen haften, sowie dem unter Scherung anisotropen Schmier- bzw. Traktionsstoff wird kein definierter Aggregatzustand zugeordnet.
  • Der Schmierspalt ist - außer beim Auftreten eines direkten Schadens an den Oberflächen - mit Schmier- bzw. Traktionsstoff voll ausgefüllt. Die Dicke der Schicht kann aber im Extremfall im molekularen Bereich liegen. Außer bei einem Schadensfall tritt keine direkte Berührung der Grundwerkstoffe auf, d.h. beiden Grundwerkstoffen bleibt eine Schmier- bzw. Traktionsstoffsschicht von mindestens einigen Moleküllagen erhalten. Im atomaren Gitterabstandsbereich existiert kein Festkörpertraganteil. Eine Festkörperberührung nach der Mischreibungstheorie ist gegenüber dieser Betrachtungsweise um mehrere Zehnerpotenzen größer vorzustellen.
  • Gleiten zwischen den Schmier- bzw. Traktionsstoffmolekülen, welche die Festkörper berühren und den Festkörper- bzw. Schichträndern ist nicht von vornherein auszuschließen. Die im Reibkontakt übertragbare Reibkraft ist aber nicht allein durch eine maximal übertragbare Scherspannung an diesen Grenzflächen begrenzt.
  • Die makroskopische Relativbewegung zwischen den beiden Grundwerkstoffen setzt sich aus den mikroskopischen Gleitanteilen an den Stellen im Spalt, normal zur Oberfläche, mit der geringsten übertragbaren Scherspannung zusammen (kleinste Scherfestigkeit). Demnach findet Gleiten immer an den schwächsten Stellen im Ver-bundsystem statt. Bei kleinen Scherenergien und geringer Fluidkompression und damit bei absoluter Verschleißfreiheit liegt bei jedem Flächenelement des Kontaktes die schwächste Stelle im Schmier- bzw. Traktionsfluid. Treten im Kontakt Stellen hoher Fluidkompression auf, beispielsweise bei hohen Hertzschen Pressungen und größeren Rauheiten, kann die schwächste Stelle anstatt im Fluid in der Sorbtionsschicht oder bei sehr großer Scherenergie im Grundwerkstoff selbst liegen. Je nach Betriebszustand ist dann Einlaufverschleiß, stetiger Verschleiß oder Fressen die Folge.
  • Das Modell ist im wesentlichen auf einen verschleiß- und schadensfreien Betriebszustand begrenzt.
Bei der Interpretation der Reibungsmessungen mit dem Reibungsmodell wird von einem planparallelen Schmierspalt mit einer im Verhältnis zur Dicke großen Scherfläche ausgegangen.

Einmal im Spalt befindlicher Schmierstoff hat damit keine Möglichkeit nach außen auszuweichen. Auch an Stellen von Pressungserhöhungen im Spalt, hervorgerufen durch Rauheitserhebungen, besteht nur sehr begrenzt die Möglichkeit für die Fluidmoleküle diesen Bereichen quer zur Transportrichtung auszuweichen. Es gibt im wesentlichen nur die Möglichkeit der Kompression im Fluid bzw. der elastisch/plastischen Verformung der Oberfläche oder Abscheren von den oben angesprochenen Adhäsionsschichten.

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